(Umwelt-) Tracer Anwendungen

  • Anthropogene Radionuklide, inklusive den Aktiniden sowie Spalt- (99Tc, 135Cs, 129I) und Aktivierungsprodukte (14C, 36Cl, 41Ca) bieten einzigartige Möglichkeiten Transportprozesse in der Umwelt oder in Lebewesen nachzuvollziehen, da sie in der Umwelt nicht ohne weiteres im Überfluss vorhanden sind. Folglich sind diese in Spuren vorkommenden Nuklide sehr empfindlich auf kleinste verabreichte Dosen oder kleine kürzliche Freisetzungen in die Umwelt, sodass ihre Ausbreitung vom entsprechenden Emissionsursprung aus beobachtet werden kann. Zu den wichtigsten bekannten Emissionsquellen gehören der Fallout von Kernwaffen, Reaktorunfälle und Freisetzungen nuklearer Wiederaufbereitungsanlagen. Um Radionuklide als Tracer verwenden zu können, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein:
  1. Das entsprechende Element muss sich in dem zu markierenden Medium konservativ verhalten, d.h. es wird nicht durch physio-chemische Prozesse aus dem Medium entfernt. Folglich muss das Radionuklid nach den chemischen Eigenschaften des entsprechenden Elements ausgewählt werden.
  2. Das Radionuklid sollte ausreichend langlebig sein, um auf der Zeitskala der betrachteten Transportkreisläufe nachweisbar zu bleiben, oder um eine Dosisabgabe an den Körper von Mensch oder Tier zu vermeiden.

Tiefenprofile der Aktinide U und Pu im Nordpazifik

  • Die erforderliche Probengröße für den Nachweis langlebiger Radionuklide ist eine entscheidende Frage, um die Sammlung und chemische Vorbereitung einer großen Anzahl von Proben logistisch durchführbar und effizient zu gestalten. Daher ist die AMS aufgrund ihrer hohen Nachweisempfindlichkeit die Technik der Wahl. Einige der heute verwendeten Tracer sind erst durch jüngste Fortschritte in der AMS-Technik in Umweltkonzentrationen zugänglich geworden. Zum Beispiel hat VERA Pionierarbeit beim Nachweis und der Anwendung des anthropogenen Isotops 236U als ozeanographischer Tracer geleistet, der in der wissenschaftlichen Gemeinschaft zunehmend akzeptiert wird.
  • Darüber hinaus sind Isotopenverhältnisse wie 240Pu/239Pu oder 241Pu/239Pu als zuverlässige Indikatoren für bestimmte Emissionsquellen bekannt, da sie nur vom Produktionsmechanismus abhängen und nicht von der chemischen Fraktionierung beeinflusst werden. In Bereichen mit komplexen Wasserzirkulationsprozessen, die durch mehrere Kontaminationsquellen beeinflusst werden, oder mit unvollständiger, detaillierter Emissionshistorie (z.B. im Arktischen Ozean) ist die Quellenidentifizierung von wesentlicher Bedeutung. Die Forschungsgruppe an VERA schlug daher vor kurzem 233U/236U als überlegenen ozeanographischen Tracer vor, der sich um eine Größenordnung zwischen Werten charakteristisch für Kernwaffen-Fallout und Freisetzungen aus der Kernenergieerzeugung unterscheidet. Im Zusammenhang mit dem Unfall von Fukushima zeichnet sich auch ein Interesse an der Analyse von 135Cs/137Cs ab, welches ergänzende Informationen liefern könnte.
  • Die Forschung an VERA ist ständig bestrebt, die Palette der verfügbaren langlebigen Tracer zu erweitern, um neue Anwendungsbereiche zu erschließen. Neben der Verbesserung der Detektionseffizienz von Aktiniden untersuchen wir derzeit deren Einsatz als Tracer für den Aerosoltransport und die Anreicherung in der menschlichen Lunge (in Zusammenarbeit mit G. Wallner, Universität Wien) und für den Wasserhaushalt in regengespeisten Torfmooren (in Zusammenarbeit mit S. Glatzel, Universität Wien). Unsere intrumentelle Entwicklung konzentriert sich auf den Nachweis von langlebigen Spaltprodukten mit Isobarenhintergrund stabiler Nuklide bei niedrigen Umweltkonzentrationen mit dem ILIAMS-Setup, d.h. 99Tc , 90Sr, 135,137Cs. Mit derzeitigen Nachweisgrenzen von 90Sr (90Sr/Sr = 1.5×10–14, d.h. <0.08 mBq) und 135Cs (135Cs/Cs ≈ 2×10–12) ist VERA die dafür weltweit führende Anlage und weiters sind erste 90Sr-Anwendungen für Bodenproben in Vorbereitung.
Kontakt:
Karin Hain, Martin Martschini, Peter Steier
Referenzen:
  1. S. Kamleitner, J. Lachner, P. Steier, S. M. Weise, S. Kraushaar. 129I concentration in a high-mountain environment, Nucl. Instr. Meth. Phys. B., 456(2019), 193-202.
  2. J. Qiao, P. Steier, S. Nielsen, X. Hou, P. Roos, R. Golser. Anthropogenic U-236 in Danish Seawater: Global Fallout versus Reprocessing Discharge. Environ. Sci. & Tech. 51 (2017) 6867-6876.
  3. K. Hain, T. Faestermann, L. Fimiani, R. Golser, J.M. Gomez-Guzman, G. Korschinek, F. Kortmann, C.L. von Gostomski, P. Ludwig, P. Steier, H. Tazoe, M. Yamada. Plutonium Isotopes (Pu239-241) Dissolved in Pacific Ocean Waters Detected by Accelerator Mass Spectrometry: No Effects of the Fukushima Accident Observed. Environ. Sci. & Tech. 51 (2017) 2031-2037.
  4. T. Nomura, A. Sakaguchi, P. Steier, R. Eigl, A. Yamakawa, T. Watanabe, K. Sasaki, T. Watanabe, R. Golser, Y. Takahashi, H. Yamano. Reconstruction of the temporal distribution of U-236/U-238 in the Northwest Pacific Ocean using a coral core sample from the Kuroshio Current area. Mar. Chem. 190 (2017) 28-34.
  5. Quinto, F., Hrnecek, E., Krachler, M., Shotyk, W., Steier, P., & Winkler, S. R. (2013). Measurements of U-236 in Ancient and Modern Peat Samples and Implications for Postdepositional Migration of Fallout Radionuclides. Environ. Sci. & Tech. 47(10), 5243-5250.
  6. Winkler, S., Steier, P., & Carilli, J. (2012). Bomb fall-out 236U as a global oceanic tracer using an annually resolved coral core. Earth and Planetary Science Letters, 359, 124-130.
Forschungspartner:
  • S. Glatzel, Department of Geography and Regional Research, University of Vienna
  • S. Kraushaar, Department of Geography and Regional Research, University of Vienna
  • G. Wallner, Department of Inorganic Chemistry, University of Vienna
  • G. Alkiviadis, Institut de Radioprotection et de Sûreté Nucléaire (IRSN), France
  • J. Qiao, Denmark Technical University, Denmark
  • F. Quinto, Karlsruhe Institute of Technology, Germany
  • A. Sakaguchi, University of Tsukuba, Japan
  • M. Yamada, Hirosaki University, Japan